Linux, ein Experiment
Meine Sammlung an Retro-Computern enthält jetzt auch ein System mit einem Prozessor AMD Athlon 64 X2, ein für damalige Verhältnisse recht flinker Doppelkerner (praktisch zweimal ein gewöhnlicher Athlon 64, der vor knapp zwanzig Jahren auf den Markt kam). Das Mainboard ist ein ECS GeForce 6100PM M2 mit 2 GB Ram und einer Grafikkarte ebenfalls von AMD, einer passiv gekühlten Radeon HD 5400 Series. Windows 10 läuft darauf, wenn auch langsam und zäh, wie angesichts der antiquierten Hardware auch nicht anders zu erwarten. Aber mit den nötigen Treibern aus dem Internet klappte es schließlich, alle Funktionen zu aktivieren, darunter Onboard-Sound und Netzwerkverbindungen, sowohl LAN als auch WLAN. Es war eine ziemliche Bastelei.
Dann dachte ich mir: Wagen wir doch einmal ein kleines Experiment. Die Frage lautete: Würde ein modernes Linux-System, installiert in einer ganz anderen Hardware-Umgebung, ohne Anpassungen auf dem Athlon-System laufen? Der Linux-Kernel sollte eigentlich alle notwendigen Treiber enthalten. Das ist einer der großen Vorteile von Linux: Man benötigt für Chipsatz, Prozessor usw. keine externen Treiber; der Kernel, Herz und Hirn des Linux-Systems, enthält bereits alles.
Ich entschied mich für Linux Mint 20.2, ausgestattet mit den neuesten Updates und als virtuelle Maschine in meiner Workstation (Arch Linux) installiert. Besagtes Linux Mint fühlt sich in einer virtuellen Umgebung wohl, die ihm einen PIIX3-Chipsatz mit acht Prozessorkernen, AC97-Audio und einem Netzwerkadapter vom Typ Intel PRO/1000 MT Desktop vorgaukelt – also völlig andere Hardware als die echte unter der Regie des tatsächlich existierenden Zwei-Kerne-Athlon.
Vor dem Experiment musste die virtuelle Festplatte in meiner Workstation auf eine echte Platte kopiert werden, eine bestens für die Retro-Umgebung geeignete betagte Western Digital Caviar, 250 GB groß und angeschlossen an den IDE-Bus. Das ließ sich recht schnell und einfach bewerkstelligen. Der Konsolen-Befehl »sudo VBoxManage clonehd Mint.vdi output.iso –format RAW« lieferte mir ein ISO-Abbild der virtuellen Mint-Festplatte namens »Output.iso«. Dieses Image habe ich mit dem Gnome-Programm »Laufwerke« (bzw. »gnome-disk-utility«, in praktisch allen Linux-Distributionen verfügbar) auf die IDE-Platte übertragen. Damit enthielt die Platte ein bootfähiges, voll installiertes Linux Mint.
Nach dem Einbau der IDE-Platte war ich sehr gespannt. Wie würde Linux Mint auf die völlig neue Hardware-Umgebung reagieren? Wie sich herausstellte, startete das kopierte Linux-System zwar viel langsamer, wie nicht anders zu erwarten, aber nach einer Weile brachte es mich über die Anmeldung zum Desktop, und alles funktionierte perfekt, auch Audio und Netzwerk, ohne irgendeinen Eingriff meinerseits. Kernel und Peripherie hatten sich automatisch der neuen Hardware angepasst. Ein klarer Triumph für Linux. 🙂