Ich weiß noch, wie ich als Knirps von vielleicht vier oder fünf Jahren ein Buch in der Hand hielt und meinen Vater fragte: »Wenn ich zur Schule gehe, kann ich all das lesen?« Geschichten in Bildern fand ich toll, aber mir hatten es vor allem die Buchstaben angetan, die ich noch nicht verstand und hinter denen sich enorm viel zu verbergen schien.
Einige Jahre später wurden meine Erwartungen sogar noch übertroffen. Ich las, was ich in die Finger bekam. Manche Bücher enttäuschten mich, doch die meisten öffneten Türen und Tore zu faszinierenden neuen Welten. Im Gegensatz zu Bildern, deren Geschichten fertig sind, geben Bücher der eigenen Fantasie freie Bahn.
Warum begeisterte mich das Lesen damals so sehr, dass ich lieber mit Büchern zu Hause blieb, statt draußen zu spielen (so war das damals für uns Kinder, unsere Blicke klebten nicht an Smartphone-Displays) oder mich mit Freunden zu treffen? Und warum ist mir heute ein gutes Buch immer noch lieber als die visuelle Pracht großartig produzierter Filme?
George R.R. Martin, Schöpfer von »Das Lied von Eis und Feuer«, drückte es so aus: »Ein Leser durchlebt tausend Leben, ehe er stirbt. Der Mensch, der nie liest, lebt nur ein einziges.« Lesen bedeutet Anteil nehmen an Leben und Schicksal anderer Menschen, die ganze Bandbreite der menschlichen Empfindungs- und Erfahrungswelt mit ihnen zu teilen. Das funktioniert mit einem Buch besser als mit einem Film, denn ein Roman präsentiert keine fertigen Bilder, sondern macht uns zum Regisseur des eigenen Kopfkinos.
Bücher können noch mehr. Je mehr man liest, desto größer wird der Wortschatz, desto besser lassen sich die eigenen Gedanken in Worte fassen. Man kann nicht nur an anderen Leben teilhaben, man lernt auch das eigene besser kennen. Man sieht die Welt und den eigenen Platz in ihr mit anderen Augen.
Ich wünsche den Lesern dieser Zeilen frohe Feste und ein gesundes neues Jahr 2021 mit vielen guten Büchern!
Ein wundervoller Beitrag und toll geschrieben. Man liest aus jeder Zeile wie sehr du Bücher liebst. Vielen Dank.
Ja, ich habe Bücher schon als Kind geliebt und kann mir eine Welt ohne Bücher gar nicht vorstellen. Wer nicht liest, lebt nur einen kleinen Teil seines Lebens und ahnt nicht, was ihm entgeht.