
Was haben Taylor Swift, Computer und Simulation gemeinsam? Nicht viel auf den ersten Blick, abgesehen vielleicht davon, dass Taylor Swift vermutlich einen Computer braucht, um ihr Geld zu zählen. Was sie kann, ihre grandiosen Auftritte und die Begeisterung, die sie in Millionen Fans entfacht – das alles kann doch nicht simuliert sein. Oder?
Im August 2024 tauchten in den Social Media Bilder einer als Uncle Sam verkleideten Taylor Swift auf, mit dem Schriftzug »Taylor wants YOU to VOTE for Donald Trump« – eine direkte Aufforderung an all die Swifties, im November Donald Trump zu wählen. Es folgten Bilder von Fans, die T‑Shirts mit der Aufschrift »Swifties for Trump« trugen. Allerdings: Es war alles Lüge, generative KI hatte die Bilder produziert. Die Sache flog auf, und Taylor Swift sah sich veranlasst, klar Stellung gegen Trump zu beziehen.
Das Problem wurde für alle sichtbar: Das mächtige Werkzeug KI in den falschen Händen kann uns manipulieren und großen Schaden anrichten. »Deepfakes« – gefälschte Bilder, Stimmen und Videos – werden uns schon in sehr naher Zukunft vor enorme Herausforderung stellen. Wie unterscheiden wir Wahrheit von Lüge? Können wir in einigen Jahren überhaupt noch einen Unterschied erkennen?
Deepfakes sind Vorboten der drohenden »Infokalypse« – unter anderem darüber werde ich am 19.11. beim IT-Summit von Heise in München sprechen (https://it-summit.heise.de) Hier nur so viel: Wir werden durch eine Welt irren, die von Informationen überschwemmt wird, und ein großer Teil dieser Informationen wird falsch sein.
Und wenn das nicht nur für die Daten gilt, mit denen wir uns orientieren müssen, sondern für die ganze Welt?
Leistungsstarke Computer geben uns die Möglichkeit, wissenschaftliche Experimente und technische Entwicklungen zu simulieren. Kernwaffen werden längst nicht mehr durch Explosionen über und unter der Erdoberfläche getestet, sondern in aufwendigen Simulationen, deren Ergebnisse als Grundlage für Verbesserung und Konstruktion entsprechender Waffensysteme genutzt werden. Wir simulieren Wetter- und Klimasysteme, um herauszufinden, welche Auswirkungen selbst kleine Veränderungen haben, Stichwort »Schmetterlingseffekt«. Wir simulieren sogar die Entwicklung des ganzen Universums, vom Urknall bis heute und noch weiter, bis in Billionen Jahre entfernte Zukünfte. Selbst Supercomputer sind Monate und Jahre mit derartigen Berechnungen beschäftigt. Ihre Resultate bedeuten für uns Erkenntnisgewinn.
Was wäre, wenn wir selbst eine Simulation sind? All die Krisen, die wir derzeit erleben – man gewinnt den Eindruck, dass wir auf einen fatalen Höhepunkt zusteuern, der über unsere Zivilisation entscheidet. Hat jemand uns und unsere Welt simuliert, um herauszufinden, wie wir mit der kritischen Situation fertigwerden? Geht es dabei ebenfalls um »Erkenntnisgewinn«?
Leben wir in einer Simulation? Trailer zu »Der Riss«:
Wie könnten wir feststellen, ob wir tatsächlich in einer Simulation leben? Indem wir nach Anomalien Ausschau halten, nach Ungereimtheiten in unserer Welt, nach seltsamen Vorkommnissen und unerklärlichen Dingen. Davon gibt es in der Wissenschaft und in unserem alltäglichen Leben genug – der Roman benennt einige von ihnen. Es könnte sich dabei um »glitches« handeln, um Fehler im Simulationsprogramm, und vielleicht verbirgt sich in ihnen auch ein »Riss«, der die Möglichkeit bietet, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.
Wenn das möglich wäre, wenn wir irgendwie Zugang bekämen zu dem Programmcode der Simulation … Stellen Sie sich vor, wir könnten den Code verändern – es wäre gleichbedeutend mit einer Veränderung unserer Welt. Jeder Wunsch, und sei er noch so abstrus, ließe sich verwirklichen, ohne Rücksicht auf Gesetze von Menschen und Natur. Autokraten könnten ihre Gegner verschwinden lassen, ganze Staaten könnten eliminiert werden, einfach so, von einer Sekunde zur anderen. Wir könnten unsere Welt in ein Paradies oder in eine Hölle verwandeln. Obwohl … das mit der Hölle kriegen wir auch ohne Simulationsprogramm hin.
Wir sollten allerdings sehr vorsichtig dabei sein, die »glitches« oder einen »Riss« für unsere Zwecke zu nutzen, denn vielleicht gefällt es den Simulierenden nicht.
Wie bin ich auf die Idee gekommen, »Der Riss« zu schreiben? Ausgangspunkt war eine Mitteilung meiner Hacker-Freunde in Amsterdam – bei meinen Lesungen erzähle ich die Geschichte dahinter. Hier nur eine kleine Anmerkung: Es gibt tatsächlich Forschungsprojekte, die der Frage nachgehen, ob wir in einer Simulation leben und wie sich das erkennen ließe, und es werden hohe Summen in sie investiert. Aus verständlichen Gründen. Denn Zugriff auf den »Genesis-Algorithmus«, wie er im Roman heißt, auf das Programm der Simulation, würde enorme Macht bedeuten.
Und es wäre äußerst gefährlich!
Bei den bisherigen Forschungen sind immer mehr Hinweise darauf gefunden worden, dass die von uns erlebte Wirklichkeit tatsächlich eine Simulation sein könnte. Ein endgültiger Beweis dafür steht allerdings noch aus.
Interessanterweise gibt es aber auch keinen Beweis dafür, dass wir nicht in einer Simulation leben. Allein das sollte uns zu denken geben.
DER RISS
ET 16.10.2024, ISBN 978-3-453-27482-2, Hardcover mit Schutzumschlag, ca. 600 Seiten, Verlag: Heyne