Am 1. März 2024 habe ich in Nürnberg aus »Infinitia« gelesen. Bei dieser Gelegenheit führte Andreas Schmid vom Terranischen Club Eden ein Interview mit mir:
Zweimal Andreas:
links Andreas Brandhorst (AB), rechts Andreas Schmid (AS)
Foto vom 1.3.2024 in Nürnberg
AS: Andreas, nach welcher Methode schreibst du ein Buch? Erst Brainstorming , dann Handlungsrahmen setzen und diesen füllen, oder entsteht dein Handlungsstrang beim Schreiben?
AB: Bei Thrillern sind manchmal sehr aufwendige Recherchen wichtiger Teil der Vorbereitung. Bei Science-Fiction werden die metaphorischen Flügel der Fantasie ganz weit ausgebreitet. Ich erstelle dann ein Gerüst für Handlung und Figurenentwicklung und darin werden die einzelnen Kapitel angeordnet. Mit anderen Worten: Ich plane meine Romane, bevor ich mit dem Schreiben beginne, was aber nicht bedeutet, dass ich an diesen Plan gebunden bin. Gelegentlich ändere ich ihn, wenn sich das im Lauf des Schreibens anbietet.
A S: Musst du dich selbst schon mal mehr oder minder zum Schreiben motivieren? Oder ist die Lust zum Schreiben bei dir stets gleich stark vorhanden?
AB: »Lust zum Schreiben« spielt für einen professionellen Autor keine Rolle. Das Schreiben ist Beruf und Berufung zugleich. Die Motivation ergibt sich aus der Auswahl des Stoffes. Ich schreibe über Dinge, die mich interessieren und faszinieren, und das inspiriert mich immer wieder aufs Neue.
AS: Hörst du beim Schreiben Musik und wie beeinflusst dich das?
AB: Oh ja, ich höre beim Schreiben fast ständig Musik, meistens Heavy Metal, manchmal auch Techno. Das hängt ein bisschen von der Stimmung ab. Aber wenn ich konzentriert nachdenken muss, bevorzuge ich meistens Stille. Und damit meine ich wirklich Stille. Dann ist in meinem Haus nichts mehr zu hören. Ich lebe allein und noch dazu im großstadttrubelfreien Emsland, da kann es wirklich still werden.
AS: Auf deiner Homepage hast du eine umfangreiche Rubrik mit Schreibtipps eingerichtet – was würdest du einem jungen Menschen raten, der gerne Autor werden möchte?
AB: Mein erster Rat: Schreiben! Keine Ankündigungen, Willenserklärungen und guten Wünsche, sondern: Schreiben, jetzt, sofort. Erforderlich sind dann: Ausdauer, Durchhaltevermögen, Bereitschaft zu lernen und eine angemessene Portion Demut, denn zu Anfang ist die Lernkurve steil. Weniger Ego, mehr harte Arbeit.
AS: Deine Bücher wechseln thematisch zwischen Science-Fiction und Thriller. Warum ist das so, und könntest du dir vorstellen, auch einmal einen Roman zu schreiben, der aus einem anderem Genre stammt (z.B. historischer Roman, Horrorgeschichte oder eine Liebesschmonzette?
AB: Das Tolle an der Science-Fiction ist ja, dass man auf dieser großen kosmischen Bühne alles inszenieren kann, auch Horror und »Liebesschmonzetten«, wie du es nennst. So ist »Splitter der Zeit« zum Beispiel nicht nur eine große Space Opera und ein Antikriegsroman, sondern auch eine Liebesgeschichte über die Abgründe von Raum und Zeit hinweg. Thriller hingegen erfordern eine ganz andere Herangehensweise, eine andere Art von Dramaturgie und des Schreibens. Mir gefällt der Wechsel, die Abwechslung, in Dramaturgie und Recherche ebenso wie bei der Ansiedlung der Geschichten in naher und ferner Zukunft.
AS: Du hast schon drei Beiträge zur PERRY RHODAN-Serie geliefert – zwei Heyne-Taschenbücher und einen Heftroman. Was verbindet dich mit dieser Serie? Hat sie dich in deiner Jugend begleitet?
AB:Ja, die Beiträge für PERRY RHODAN waren eine Hommage an meine Jugend. Als Teenager habe ich PR verschlungen, wie so viele von uns. Später dann habe ich vor allem über die SF-Taschenbücher bei Heyne andere Science-Fiction-Universen kennen und lieben gelernt.
AS: Mit dem Gastbeitrag zur PERRY RHODAN-Erstauflage Nr. 3005 bist Du zu den Wurzeln deiner Autorenkarriere zurückgekehrt – dem Heftroman. Was war das für ein Gefühl für dich?
AB: Das war vor allem harte Arbeit. 🙂 Ich bin an Geschichten gewöhnt, die sich über 600 und mehr Manuskriptseiten entwickeln, und plötzlich hatte ich weitaus weniger Platz zur Verfügung und musste außerdem die Vorgaben eines Exposés beachten. Ich habe allergrößten Respekt vor den Serienautoren, die unter solchen Bedingungen jede Woche einen Roman abliefern! Es war eine Erfahrung, die mir gezeigt hat, woher ich komme und wo ich heute stehe. Der Heftromanautor namens Andreas Brandhorst ist 40 Jahre jünger als ich; er sah viele Dinge anders, als ich sie heute sehe. Ich habe damals wichtige Erfahrungen gesammelt, die mir noch heute helfen.
AS: Könntest du dir vorstellen auch einmal Gastbeiträge für Serien wie MADDRAX, JOHN SINCLAIR oder gar JERRY COTTON zu schreiben?
AB: Nein. 🙂
AS: Hast du noch alte Manuskripte aus deiner Zeit als Autor für Heftromanserien? Also solche, die noch mit Schreibmaschine abgetippt wurden?
AB: Nein, leider nicht. Jene Manuskripte – die Kopien davon – sind irgendwo und irgendwann bei meinen zahlreichen Umzügen verlorengegangen. Eine Ausnahme sind damals noch mit der Schreibmaschine entstandene Manuskripte von zwei Terranauten-Taschenbüchern, die nie erschienen sind, weil die Serie eingestellt wurde.
AS: Wenn du die Chance bekommen würdest, eine Figur aus einem deiner Romane im realen Leben treffen zu können – für welche würdest du dich da entscheiden?
AB: Ich würde gern Black Lily aus »Sleepless« begegnen. Eine solche Partnerin hätte ich mir für mein Leben gewünscht. Leider habe ich sie nie gefunden.
AS: Wie viel von dir selbst steckt in den Figuren deiner Romane? Gibt es eventuell sogar biografische Elemente von dir in deinen Romanen?
AB: Da steckt sogar sehr viel von mir drin, von meinem Denken und Fühlen, von meinem Blick auf die Welt und auch viel von meinem inneren Wesen. Aber wenn ich jetzt verraten würde, was und wo – dann gäbe ich vielleicht ein bisschen zu viel von mir preis. 🙂
AS: Im Oktober erscheint dein neuer Roman „Der Riss“. Wir bekamen im Lauf der Lesung eine kleine Kostprobe dieses Romans. Dabei geht es auch darum, dass Menschen nachts zu einer gewissen Uhrzeit aufwachen. Dieses Problem trifft auf viele Menschen in unserem Alter zu. Mich fasziniert schon jetzt daran, dass du so eine „alltägliche Sache“ wie diese zum Inhalt eines Thrillers machst. Wie kommt man auf so eine skurrile Idee?
AB: Speziell geht es um 3:07 Uhr, und ausgerechnet diesen Zeitpunkt habe ich gewählt, weil ich mehrmals selbst um genau diese Zeit aufgewacht bin. Was es damit auf sich hat, kann ich hier natürlich nicht verraten – das erfahrt ihr am 16.10.2024: https://www.penguin.de/Buch/Der-Riss/Andreas-Brandhorst/Heyne/e626735.rhd
AS: Ich höre immer wieder, das Autoren Rituale haben, wenn Sie das Wort ENDE unter einen fertigen Roman schreiben, z. B. einen guten Wein trinken, Essen gehen oder Ähnliches? Gibt solche Gewohnheiten, wenn du einen Roman beendetet hast?
AB: Ich habe keine solchen Rituale, was vielleicht auch daran liegt, dass ich nie, wirklich nie, das Wort »Ende« unter meine Romane schreibe. Das ist eher so eine typische Heftromansache. Bei Paperbacks und Hardcovern gibt es so etwas nur selten. Der Roman endet dort, wo er aufhört – man muss den Leser nicht extra darauf hinweisen. In den meisten Fällen mache ich nach dem Abschluss eines Romans einen besonders langen Lauf, das ist so ein bisschen meine Art des Feierns.
AS: Sofern die Frage nicht zu privat ist – wie entspannst du dich vom Schreiben? Hast zum Beispiel Hobbys? Gehst du gerne ins Kino oder schaust TV?
AB: Siehe die vorherige Frage. Ich laufe jeden Tag mindestens eine Stunde. Dabei arbeitet der Körper, aber der Geist entspannt. Und ich lese viel. Das hilft nicht nur dem eigenen Schreiben, sondern schickt die Gedanken in ganz andere Welten.
AS: Ich habe gehört, du planst eventuell wieder nach Italien umzuziehen. Lange Zeit hast du schon in diesem Land gelebt. Welche Unterschiede siehst du zum Leben hier in Deutschland?
AB: Ich habe über 30 Jahre in Italien verbracht und bin vor einigen Jahren nach Deutschland zurückgekehrt, weil ich dort aufgrund der politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen zunehmend Unbehagen verspürte. Inzwischen geht es mir genau umgekehrt. Was mir in Deutschland immer mehr fehlt, ist die menschliche Wärme, die ich von Italien kenne, das Miteinander, in dem jeder dem anderen hilft. Ja, vielleicht kehre ich ganz nach Italien zurück. Oder ich wechsele zwischen beiden Ländern hin und her, wie derzeit. Mal sehen, eine Entscheidung ist noch nicht getroffen.
AS: Gibt es etwas, das du uns Lesern schon immer sagen wolltest, aber nie die Gelegenheit dazu war? Dann nutze das jetzt und teile es uns mit.
AB: Ich möchte allen meinen Lesern dafür danken, dass sie mir bis hierher gefolgt sind. Ohne sie hätte ich es nicht so weit geschafft!
AS: Andreas, wir danken dir, dass du dir die Zeit für unsere Fragen genommen und so ausführlich beantwortet hast. Wir freuen uns auf weitere spannende Romane von dir!